Zu einer zweitägigen Klausur trafen sich die Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion Bodenseekreis und die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten zur Kreistagswahl in Scheidegg. Die Schwerpunkte Wasserstofftechnologie und die künftigen Herausforderungen des Bodenseekreises standen in Mittelpunkt der Tagung.
Landrat Luca Prayon ging in seiner beeindruckenden Präsentation auf die immer schwieriger werdende Haushaltslage des Bodenseekreises ein. Für die nächsten Kreishaushalte werde sicherlich die Frage sein, wie sich die Schulden weiter entwickeln werden, denn der Landkreis stehe vor gewaltigen Investitionen, und dies bei steigenden Kosten im Sozialbereich. Hinzu kämen z. B. die Wohngeldreform, Kostensteigerung bei der Hilfe zur Pflege, ein deutlich steigender Zuschussbedarf im ÖPNV, höhere Personalaufwendungen, höhere Energiekosten, höhere Bau-, Sanierungs- und Unterhaltskosten.
Nicht nur der Neubau der Straßenmeisterei in Markdorf, sondern vor allem auch die schulischen Baumaßnahmen und die kommunale Beteiligung an der Bodenseegürtelbahn (BSGB) stellen den Bodenseekreis vor gewaltigen Herausforderungen. In diesem Zusammenhang erinnerte Fraktionsvorsitzender Norbert Zeller, dass nicht nur weitere Mittel für den Straßen- und Radwegebau notwendig sind, sondern auch die Ortsumfahrung Markdorf „ein Fass ohne Boden“ sei. Schon heute sei abzusehen, dass der Kreis und die Stadt Markdorf inzwischen jeweils über 15 Mio. Euro finanzieren müssten. Letztendlich werde der neue Kreistag darüber befinden, ob diese Mittel tatsächlich eingesetzt werden.
Ähnliches gilt für den Neubau des Landratsamts. Prayon verwies darauf, dass eine Neubewertung der Bedarfslage durch veränderte Arbeitsmöglichkeiten der 1460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere durch Homeoffice vorgenommen werde. Eine Arbeitsgruppe werde bis 2027 dann die Ergebnisse präsentieren. Für die SPD-Kreistagsfraktion wäre es trotzdem sinnvoll, den ersten Bauabschnitt (Wohnungen und eine Kindertagesstätte) in Angriff zu nehmen. Dazu müsste allerdings die Stadt Friedrichshafen endlich einen rechtsgültigen Bebauungsplan vorlegen. Für die SPD sei aber weiterhin ungeklärt, wie die energetische Sanierung des alten Landratsamts bei steigendem Platzbedarf gelingen soll.
Auch die Asyl- und Flüchtlingssituation im Bodenseekreis nahm einen breiten Raum der Tagung ein. Aktuell befänden sich 1.234 Personen in Not- und Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises, davon 871 Männer und 363 Frauen. Erleichtert wurde von den SPD-Vertretern die Nachricht aufgenommen, dass die Sporthalle am Berufsschulzentrum Friedrichshafen ab dem neuen Schuljahr wieder für den Schul- und Vereinssport genutzt werden kann. Sehr nachdenklich berichtete Prayon über die unbegleiteten minderjährigen Ausländer (umA). „Dies sind 96 menschliche Schicksale, um die wir uns kümmern müssen“, so der Landrat. „Besonders nahe gehen muss es uns, wenn junge Menschen einfach verschwinden“, und verwies dabei auf den zunehmenden Menschenhandel. SPD-Kreisrat und Bürgermeister Dieter Stauber pflichtete dem Landrat bei und forderte, „die umAs als eine Chance für unsere Gesellschaft zu sehen“. Die SPD-Politiker stimmten dem Landrat auch zu, die Öffentlichkeit dann zu informieren, wenn klar ist, wo die Flüchtlinge tatsächlich untergebracht werden, und nicht, „wenn der Landkreis ein Gebäude anschaut“. Stauber verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass nach Auskunft der Polizei die Kriminalitätsbelastung nicht auffällig höher sei, wenn Flüchtlinge untergebracht sind. „Natürlich streben wir eine möglichst dezentrale Unterbringung an.“
Bei den Verkehrsthemen wurde neben der BSGB, der B 30 und B 31 auch die Zukunft des Flughafens angesprochen. Hier gelte es über die Tagespolitik hinaus zu denken und ein verändertes Mobilitätsleben als Chance zu sehen. Allerdings sei auch klar, dass die Defizite nicht dauerhaft vom Landkreis getragen werden können. Gewünscht wird von der SPD eine stärkere Beteiligung der hiesigen Wirtschaft.
Tillmann Stottele sprach als ehemaliger Leiter des Umweltamts der Stadt Friedrichshafen in der Aussprache den Umwelt- und Klimaschutz im Landkreis an. Prayon verweis darauf, dass ein starkes Team im Landratsamt diese Frage intensiv bearbeite und die Bereiche Mobilität, Klima, Biodiversitätsstrategie, Sanierungsmaßnahmen, Wasser- und Bodenschutz in ein einem engen Zusammenhang stehen.
In einem flammenden Appell beschrieb OB Jan Zeitler, dass wir in vielen Fällen der (Kreis)Politik viel zu langsam seien. Als kleines Beispiel nannte er die Bodensee-Gürtelbahn und den überfälligen Ausbau des Haltepunkts in Überlingen. „Wir investieren zu wenig, wir müssen schneller und mutiger sein“, forderte Zeitler. Dasselbe gelte auch bei der Klärung von Grundstücksfragen zwischen dem Landkreis und der Stadt Überlingen, um den Schulbau endlich voranzubringen. In das gleiche Horn stieß Kai Nopper, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Schreienesch, der mehr Engagement im investiven Bereich einforderte, „sonst winken wir dem Zug hinterher, zu Lasten unserer jüngeren Generation“.
Insgesamt sieht die SPD den Landkreis auf gutem Wege. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass es in der Region vorangeht“, sind sich die SPD-Vertreter einig. Mit dem neuen Landrat, sei der Bodenseekreis gut aufgestellt.